Je oller, je doller

Wir brauchen einen Perspektivwechsel in unserer Wahrnehmung von Bestandsarchitektur. Bauen im Bestand ist zwar als Diskursthema angekommen, aber der Umgang mit Bestand wird immer noch als Einschränkung wahrgenommen. Unsere Gesellschaft ist darauf getrimmt, nur Neues als wertvoll und gut zu empfinden. Altes und Gebrauchtes hingegen haben eine negative Assoziation. Wir müssen wegkommen von den Begriffen des Alten und des Mülls. Bauen im Bestand muss als Chance wahrgenommen werden, nachhaltiges Handeln zu ermöglichen. Hier geht es nicht nur um charmante Altbauwohnungen mit Stuck und Fischgrät-Parkett, sondern um die Gesamtheit unserer Bestandsgebäude. Wir dürfen nicht warten, bis der Bestand zerfällt und abgerissen werden muss, sondern wir müssen uns darum kümmern – ständig und beständig!

Das Motto Je oller, je doller!  steht für diesen Perspektivwechsel in der Wahrnehmung. Unsere Erfahrung ist, je älter das Gebäude, desto nachhaltiger und sortenreiner ist der Bau, umso mehr Freude macht es, das Gebäude weiter und wieder zu nutzen. Im Bestand zu bauen bedeutet, sich mit Gebäuden aus anderen Zeiten auseinanderzusetzen. Zeiten, in denen anders gedacht wurde und andere Ansprüche gegolten haben. Das erfordert Respekt und Demut und kann zu Reibungen führen. Doch wir können viel von ihnen lernen, denn der Umgang mit nachwachsenden natürlichen Rohstoffen und die simple Bauweise funktionierten wunderbar. Müssen wir ständig technisch hochrüsten oder können wir wieder einfacher bauen?

Wir dürfen die Daseinsberechtigung von Gebäuden nicht mehr hinterfragen, sondern müssen mehr dahin kommen zu reparieren und zu pflegen, als zu warten, bis es zu spät ist. Natürlich ergeben sich oft Schwierigkeiten im Umgang mit Bestand.

Doch am Ende ist die Belohnung größer, wenn ein Bau in unsere Zeit überführt wurde, anstatt einem Neubau zu weichen. Vor allem Gebäude, die viel genutzt werden, müssen besser gepflegt werden. Ziel ist eine Weiterentwicklung des Bestands und eine Überführung in die Gegenwart – mit Blick in die Zukunft.

Im Umgang mit Bestand haben sich für mich zwei Grundsätze ergeben: Wir müssen die Bescheidenheit alter Gebäude wertschätzen, denn wir können viel davon lernen und auf unsere Zeit anwenden und wir müssen angemessen mit ihnen umgehen. Das bedeutet, die Funktionen von Gebäuden zu verstehen und weiterzuentwickeln. Man kann einem Gebäude keine Funktionen aufzwängen, sondern muss den Gegebenheiten verständnisvoll gegenübertreten und neue Nutzungen rücksichtsvoll integrieren. Am schönsten ist es, wenn ein Gebäude weiter gebaut und am Ende weiterhin als Ganzes wahrgenommen wird. Weg von der Glasfuge hin zum Gesamtgebäude!

Für die Zukunft ist es wichtig, Architektur ganzheitlicher zu betrachten, Innenräume und die Weiterentwicklung von Gebäuden von Beginn an mitzudenken. Wir müssen eine neue Baukultur etablieren und diese auch kommunizieren. Das bedeutet, sich in der Zusammenarbeit mit Auftraggebenden und Kolleg:innen, sowie im Politischen damit auseinanderzusetzen und sich ehrenamtlich zu engagieren. Wir brauchen mehr Bauen im Bestand in der Lehre und müssen die Liebe zum Bestand vermitteln. Ich wünsche mir, dass wir alle zusammen an einer Bauwende arbeiten und Barrieren allerseits abbauen, eine neue Bescheidenheit finden, angemessen mit Ressourcen, dem Bestand und unserer Umwelt umgehen – einen nachhaltigen Perspektivwechsel!


– Alexander Pötzsch

Bestand wird verkannt!

Potenzial erkennen – Perspektiven aufzeigen – prozessorientiert denken.

Viele alte Gebäude werden wieder geschätzt. Klinkerfassaden und Industrieflair sind schick. Doch nicht alles, was alt ist, steht unter Denkmalschutz: Viele Gebäude, vor allem aus der Nachkriegszeit werden trotzdem abgerissen, obwohl sie durch die richtigen Umbaumaßnahmen weiter genutzt werden könnten. In jedem Bestandsgebäude stecken viele Möglichkeiten und jede Menge Potenzial, man muss nur die richtige Vision haben. Durch Studien und die Erarbeitung von Nutzungskonzepten können verschiedene Nach- und Umnutzungsperspektiven aufgezeigt werden und das alles, ohne am Gebäude zu rütteln. Es muss nicht immer alles auf einmal realisiert werden. Pioniernutzungen können das Gebäude beleben und alles kann Stück für Stück gemacht werden. Gebäude befinden sich immer in einem Prozess – der Weg ist das Ziel!

Zahlen und Fakten:
Durchschnittlich werden in Deutschland jährlich ca. 7000 Wohngebäude abgerissen.

(Quelle: Statistisches Bundesamt 2020)
Goldene Energie!

Bestand erhalten – Rohstoffe nutzen – Kosten senken.

Wenn es um Bestandsgebäude geht, wird oft von grauer Energie gesprochen. Die Energie und Rohstoffe, die bereits in den Bau des Bestands geflossen sind und welche bei einem Abriss verloren gehen. Die für den Abriss aufgewendete Energie kommt zum Schutthaufen noch dazu. Durch die Nutzung des Bestands können die Rohbaukosten gesenkt werden und der CO2 Verbrauch deutlich reduziert werden. Der Begriff graue Energie klingt etwas trist, goldene Energie hingegen drückt den wahren Wert des Bestands aus. Sie ist das Potenzial und die Wertigkeit, die bereits im Gebäude stecken. Wie ein Rohdiamant, der auf den Schliff wartet!

Zahlen und Fakten:
55% der Äbfälle in Deutschland sind Bau- und Abbruchabfälle.
Der jährliche Bauabfall Deutschlands entspricht dem Materialbedarf für 422.000 Wohneinheiten.

(Quelle: BBSR 2020; dena 2021, Destatis 2002)
(Quelle: Kreislaufwirtschaft Bau 2021; Wuppertal Institut 2022)
The sky ist the limit!

Aufstocken – Mehrfachnutzungen – Zwischenräume begrünen.

Fast alle Großstädte stehen vor dem Problem der Platzknappheit. Hinzu kommt die zunehmende Grundflächenversiegelung und das, obwohl eine Begrünung der Innenstädte zwingend notwendig ist, um steigenden Temperaturen und sommerlicher Hitze entgegenzuwirken. Eine Lösung dafür ist das Aufstocken von Bestandsgebäuden. In Zukunft wird immer mehr in die Höhe gebaut werden müssen. Eine Aufstockung ist oft günstiger und ressourcenschonender als eine Unterkellerung und schafft dabei äußerst lebenswerten Wohnraum. Außerdem muss bei der Sanierung von Bestandsgebäuden auf Mehrfachnutzungen geachtet werden: Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte können beispielsweise zusätzlichen Platz für integrierten Stauraum bieten. Es gilt, um die Ecke und nach oben zu denken!

Zahlen und Fakten:
Nur durch Aufstockung können in Deutschland 2,4 Mio. Wohneinheiten geschaffen werden.

(Quelle: TU Darmstadt/ISP/VHT 2019)
Low-tech, high quality!

Hochwertiges Material – natürliche Rohstoffe – Rückbaufähigkeit.

Ob Sanierung, Modernisierung, Anbau oder Neubau: Um nachhaltig zu bauen, müssen die besten Materialien verwendet werden. Von historischen Bestandsgebäuden kann viel gelernt werden: Bewährte Baustoffe sind oft natürlich und nachwachsend (z. B. Holz, Lehm, Stroh). Sortenreine Materialien und Rückbaufähigkeit gewährleisten die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen und eine zukünftige Nachnutzung. Durch das Verwenden hochwertiger Materialien und bewährter Methoden können zudem Betriebskosten reduziert werden. Nur das Nötigste und davon das Beste!

Zahlen und Fakten:
In Deutschland sind 15,2 Milliarden Tonnen Material verbaut. Pro Person ist das ein Materialbestand von 185,8 Tonnen, der zu knapp 60 % in Wohngebäuden eingelagert ist.

(Quelle: Wuppertal Institut)
Schützen, pflegen, weiterdenken!

Erhalt für die Zukunft – zeitgemäße Nutzung – Bauen im laufenden Betrieb.

Denkmalschutz trägt einen enormen Teil zum Erhalt von Bausubstanz bei. Einer zeitgemäßen Nutzung unter Berücksichtigung der wichtigen historischen gestalterischen Elemente steht nichts im Weg, das Konzept muss nur ausgereift sein. Eine Kombination aus Erhabenheit der alten Bausubstanz und Funktionalität der zeitgenössischen Nutzungen ist das Ziel. Denkmalpflege bedeutet sich kümmern: Ein Gebäude bedarf ständiger Pflege. Je länger man wartet, desto mehr Maßnahmen fallen an. Bauen im laufenden Betrieb und Reparieren sind Möglichkeiten, den Bestand zeitgemäß umzugestalten, ohne auf die Nutzung verzichten zu müssen. Wie wir jetzt bauen und umbauen, bestimmt das Erbe der Zukunft. Bauen mit Weitblick!

Zahlen und Fakten:
In Deutschland stehen ca. 1 Mio. Gebäude unter Denkmalschutz, davon sind ca. ein Drittel gefährdet oder dringend sanierungsbedürftig.

(Quelle: Staatsministerium für Kultur und Medien 2018; Destatis 2018)
Mission Baukultur

Mission Baukultur

Architektur verändert: die Auftraggebenden und die Umgebung. Das heißt Verantwortung. Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen den Vorstellungen unserer Kundschaft und zeitgenössischer Architektursprache.

Wir haben das Durchhaltevermögen und die Leichtigkeit, um unserer Kundschaft den Rücken frei zu halten. Projekte mit Tragweite – für Einzelne und die Gemeinschaft – sind unsere Motivation.

Egal welches Vorhaben wir planen, bei Qualität und Genauigkeit akzeptieren wir keine Schräglage. Ob Machbarkeit, Budget oder Zeitplan – niemand kann bei uns ruhig schlafen, bevor nicht alles im Lot ist.

Dabei sind Erfahrung, gepaart mit Innovation, Herz und Humor  unsere Formel für den Erfolg. Für uns und unsere Kundschaft.