STÄNDIG UND BESTÄNDIG
Der Begriff Nachhaltigkeit taucht aktuell in fast allen Lebensbereichen auf, sorgt für viel Diskussion, verlangt eine Reflexion des Bisherigen und regt gleichermaßen Fragen zu zukünftigem Verhalten an. Derzeit wird der Begriff inflationär verwendet und in seiner Bedeutung zunehmend überstrapaziert. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit im Bauen und was bedeutet es konkret für uns?
Zum einen geht es um ressourcenschonendes und umweltbewusstes Bauen. Das betrifft in erster Linie die verwendeten Materialien, Techniken, Anfahrtswege, etc. – kurz: den messbaren ökologischen Fußabdruck – das nachhaltige Handeln. Zum anderen bedeutet es, zielgerichtete, durchdachte und dauerhafte Lösungen zu finden – nachhaltiges Denken. Hinzu kommt die soziale Komponente im Sinne eines bewussten Umgangs mit der gesellschaftlichen Verantwortung. Für uns haben wir einen Begriff gefunden, der besser unser Verständnis von Nachhaltigkeit im Bauen wiederspiegelt:
Beständigkeit.
Eine zukunftsfähige und nachhaltige Architektur braucht unserer Meinung nach einerseits eine beständige Arbeitsweise, die sich durch konsistentes und konsequentes, längerfristiges und zukunftsgerichtetes Denken und Handeln auszeichnet. Dafür müssen wir langfristig eine Balance aus Ausdauer, Resilienz und Belastbarkeit finden, zeitgleich flexibel bleiben und die Fähigkeit haben, auf neue Umstände und Probleme angemessen zu reagieren. Andererseits muss auch die gebaute Architektur durch Beständigkeit bestechen. Als Bestand von morgen muss alles neu gebaute eine lange und flexible Nutzung garantieren und einen zukünftigen Umbau schon mitdenken. Bestandsgebäude müssen in ihrer Wertigkeit erhalten werden und durch einen behutsamen und vorausschauenden Umgang weitere Umnutzungen und Umbauten zulassen können. Kreislauffähigkeit bezieht sich an dieser Stelle nicht nur auf die verbauten Materialien sondern auf die Wieder- und Weiterverwendbarkeit des gesamten Gebäudes. Ferner müssen die Möglichkeiten zur permanent erforderlichen Reparatur und Pflege der Bausubstanz von Beginn an mitbedacht werden.
Für die Zukunft wünschen wir uns Verständnis für Veränderung genauso wie eine Wertschätzung des Bestehenden, welches sich in unserer gebauten Umwelt widerspiegelt sowie einen politischen Rahmen und die Möglichkeiten für einen progressiven Wandel in der Baukultur.
April, 2024
HALTUNG VOR HANDSCHRIFT
Die Architektur hat seit jeher eine besondere Stellung zwischen Kunst, Handwerk und Technik. Noch vor der Zeitenwende bezeichnete der römische Architekturtheoretiker Vitruv die Architektur als „Mutter aller Künste“. Der Renaissance-Künstler Michelangelo konnte nicht nur Marmor zum Leben erwecken und Gott an die Decke malen, sondern war auch einer der Baumeister des Petersdoms. Vom Mythos der Jahrtausende überladen, vererbt uns die Architektur neben dem Handwerkszeug auch ein Streben nach künstlerischer Erfüllung, Selbstverwirklichung und Alleinstellungsmerkmalen.
Unsere gebaute Umwelt besteht aber nicht nur aus herausragenden Sakralbauten, welche die Jahrhunderte überdauern, sondern größtenteils aus pragmatischen und funktionsorientierten Bauten. Spätestens seit der Industrialisierung existiert ein starker Fokus auf Funktionalität. Seitdem der Spruch „form follows function“ die Architektur prägt, müsste man meinen, die künstlerische Handschrift Einzelner sei von der Ingenieurskunst abgelöst worden und extravagante Wiedererkennungsmerkmale hätten ihren Platz verloren. Die megalomanischen Wolkenkratzer-Projekte und ‚Signature Buildings‘ vieler Star-Architekturbüros bezeugen das Gegenteil. Auch im Umgang mit dem Bestand, vor allem dem Abriss von nicht-geschütztem Bestand und anschließendem Neubau zeigt sich, dass die Handschrift häufig Vorrang vor dem Dagewesenen hat. In der Lehre und Erziehung wird häufig ein Rollenverständnis kommuniziert, welches Architektur als Autorenschaft begreift – das Werk als schöpferischer Akt. Stattdessen sollte die Rolle stärker als Vermittlungs- bzw. Moderationsaufgabe begriffen werden, bei welcher Inhalte verhandelt werden. Zeit für eine Lehrwende?
Aus Pragmatismus und Funktionalismus kann man einiges über Bescheidenheit lernen und daraus eine Haltung entwickeln – ein ehrliches Bekenntnis zu den Prinzipien der Nachhaltigkeit und einer Demut vor dem Bestand anstelle eines finanziellen und materiellen Mehraufwands als Beweis für individuelle künstlerische Genialität. Natürlich ist eine Handschrift nicht verkehrt, doch sollte sie niemals Vorrang vor der Haltung haben – auch Zurückhaltung kann zur Handschrift werden.
In Bezug auf das Bauen mit dem Bestand stellen sich die Fragen: Wann ist ein Umbau, eine Transformation oder eine Sanierung gelungen? Muss das sichtbar und vordergründig sein oder kann man durch Zurückhaltung zugunsten des Bestands die Handschrift vernachlässigen? Bei der Arbeit an einem herausragenden Gebäude wie der Neuen Nationalgalerie in Berlin fallen die Antworten auf diese Fragen sicherlich leichter als bei einem DDR-Plattenbau oder einer Bausünde der Postmoderne. Es gilt, eine Haltung zu entwickeln, die diesen Fragen angemessen begegnen kann. Haltung vor Handschrift!
Juli, 2024
FUNCTION FOLLOWS FORM
Der berühmte Leitsatz „form follows function“ hat die Architektur des 20. Jahrhunderts geprägt wie kein anderer und zu einer Revolutionierung unserer Art und Weise zu Bauen geführt. Das Prinzip hat zu einer Reduzierung auf das Wesentliche und Funktionale geführt und die bis dato übliche Dekoration und Ornamentik aus den Neubauten verschwinden lassen.
Wir leben in einer gebauten Umwelt, bestehend aus verschieden Zeitschichten und müssen feststellen, dass dieser Grundsatz beim zeitgemäßen Umgang mit Bestandsgebäuden kaum noch anwendbar ist. Bauen im Bestand heißt Bauen mit dem Bestand. Eine neue Nutzung oder Nutzungserweiterung muss den Regeln und Gegebenheiten des Bestands folgen und darf ihn nicht übernutzen oder konterkarieren. Ist ein Umbau zu radikal, kann man nicht mehr von Bauen im Bestand sprechen – es handelt sich dann um Bauen gegen den Bestand oder einen Neubau im alten Kleid.
In einer Zeit, in welcher Abriss und Neubau zunehmend in Frage gestellt werden, stellen wir diesen Satz auf den Kopf: function follows form. Folgerichtig ergibt sich der Grundsatz, sich am Bestand zu orientieren und die Funktionalität eines Gebäudes nach den vorgefundenen Gegebenheiten zu richten. Analyse, Verständnis und Angemessenheit sind die Prinzipien, die dem Umgang mit dem Existierenden zugrunde gelegt werden müssen, damit eine bestandverträgliche Einordnung unter Maßgabe von Ressourcenschonung gelingt.
Mai, 2024
Je oller, je doller!
Das Motto Je oller, je doller! steht für einen Perspektivwechsel in unserer Wahrnehmung von Bestandsarchitektur. Unsere Erfahrung ist, je älter das Gebäude, desto nachhaltiger und sortenreiner ist der Bau, umso mehr Freude macht es, das Gebäude weiter und wieder zu nutzen. Im Bestand zu bauen bedeutet, sich mit Gebäuden aus anderen Zeiten auseinanderzusetzen. Zeiten, in denen anders gedacht wurde und andere Ansprüche gegolten haben. Das erfordert Respekt und Demut und kann zu Reibungen führen. Doch wir können viel von ihnen lernen, denn der Umgang mit nachwachsenden natürlichen Rohstoffen und die simple Bauweise funktionierten wunderbar. Müssen wir ständig technisch hochrüsten oder können wir wieder einfacher bauen?
März, 2023
Potenzial erkennen – Perspektiven aufzeigen – prozessorientiert denken.
Viele alte Gebäude werden wieder geschätzt. Klinkerfassaden und Industrieflair sind schick. Doch nicht alles, was alt ist, steht unter Denkmalschutz: Viele Gebäude, vor allem aus der Nachkriegszeit werden trotzdem abgerissen, obwohl sie durch die richtigen Umbaumaßnahmen weiter genutzt werden könnten. In jedem Bestandsgebäude stecken viele Möglichkeiten und jede Menge Potenzial, man muss nur die richtige Vision haben. Durch Studien und die Erarbeitung von Nutzungskonzepten können verschiedene Nach- und Umnutzungsperspektiven aufgezeigt werden und das alles, ohne am Gebäude zu rütteln. Es muss nicht immer alles auf einmal realisiert werden. Pioniernutzungen können das Gebäude beleben und alles kann Stück für Stück gemacht werden. Gebäude befinden sich immer in einem Prozess – der Weg ist das Ziel!
Zahlen und Fakten:
(Quelle: Statistisches Bundesamt 2020)
Durchschnittlich werden in Deutschland jährlich ca. 7000 Wohngebäude abgerissen.
Bestand erhalten – Rohstoffe nutzen – Kosten senken.
Wenn es um Bestandsgebäude geht, wird oft von grauer Energie gesprochen. Die Energie und Rohstoffe, die bereits in den Bau des Bestands geflossen sind und welche bei einem Abriss verloren gehen. Die für den Abriss aufgewendete Energie kommt zum Schutthaufen noch dazu. Durch die Nutzung des Bestands können die Rohbaukosten gesenkt werden und der CO2 Verbrauch deutlich reduziert werden. Der Begriff graue Energie klingt etwas trist, goldene Energie hingegen drückt den wahren Wert des Bestands aus. Sie ist das Potenzial und die Wertigkeit, die bereits im Gebäude stecken. Wie ein Rohdiamant, der auf den Schliff wartet!
Zahlen und Fakten:
(Quelle: BBSR 2020; dena 2021, Destatis 2002)
55% der Äbfälle in Deutschland sind Bau- und Abbruchabfälle.
Der jährliche Bauabfall Deutschlands entspricht dem Materialbedarf für 422.000 Wohneinheiten.
(Quelle: Kreislaufwirtschaft Bau 2021; Wuppertal Institut 2022)
Aufstocken – Mehrfachnutzungen – Zwischenräume begrünen.
Fast alle Großstädte stehen vor dem Problem der Platzknappheit. Hinzu kommt die zunehmende Grundflächenversiegelung und das, obwohl eine Begrünung der Innenstädte zwingend notwendig ist, um steigenden Temperaturen und sommerlicher Hitze entgegenzuwirken. Eine Lösung dafür ist das Aufstocken von Bestandsgebäuden. In Zukunft wird immer mehr in die Höhe gebaut werden müssen. Eine Aufstockung ist oft günstiger und ressourcenschonender als eine Unterkellerung und schafft dabei äußerst lebenswerten Wohnraum. Außerdem muss bei der Sanierung von Bestandsgebäuden auf Mehrfachnutzungen geachtet werden: Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte können beispielsweise zusätzlichen Platz für integrierten Stauraum bieten. Es gilt, um die Ecke und nach oben zu denken!
Zahlen und Fakten:
(Quelle: TU Darmstadt/ISP/VHT 2019)
Nur durch Aufstockung können in Deutschland 2,4 Mio. Wohneinheiten geschaffen werden.
Hochwertiges Material – natürliche Rohstoffe – Rückbaufähigkeit.
Ob Sanierung, Modernisierung, Anbau oder Neubau: Um nachhaltig zu bauen, müssen die besten Materialien verwendet werden. Von historischen Bestandsgebäuden kann viel gelernt werden: Bewährte Baustoffe sind oft natürlich und nachwachsend (z. B. Holz, Lehm, Stroh). Sortenreine Materialien und Rückbaufähigkeit gewährleisten die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen und eine zukünftige Nachnutzung. Durch das Verwenden hochwertiger Materialien und bewährter Methoden können zudem Betriebskosten reduziert werden. Nur das Nötigste und davon das Beste!
Zahlen und Fakten:
(Quelle: Wuppertal Institut)
In Deutschland sind 15,2 Milliarden Tonnen Material verbaut. Pro Person ist das ein Materialbestand von 185,8 Tonnen, der zu knapp 60 % in Wohngebäuden eingelagert ist.
Erhalt für die Zukunft – zeitgemäße Nutzung – Bauen im laufenden Betrieb.
Denkmalschutz trägt einen enormen Teil zum Erhalt von Bausubstanz bei. Einer zeitgemäßen Nutzung unter Berücksichtigung der wichtigen historischen gestalterischen Elemente steht nichts im Weg, das Konzept muss nur ausgereift sein. Eine Kombination aus Erhabenheit der alten Bausubstanz und Funktionalität der zeitgenössischen Nutzungen ist das Ziel. Denkmalpflege bedeutet sich kümmern: Ein Gebäude bedarf ständiger Pflege. Je länger man wartet, desto mehr Maßnahmen fallen an. Bauen im laufenden Betrieb und Reparieren sind Möglichkeiten, den Bestand zeitgemäß umzugestalten, ohne auf die Nutzung verzichten zu müssen. Wie wir jetzt bauen und umbauen, bestimmt das Erbe der Zukunft. Bauen mit Weitblick!
Zahlen und Fakten:
(Quelle: Staatsministerium für Kultur und Medien 2018; Destatis 2018)
In Deutschland stehen ca. 1 Mio. Gebäude unter Denkmalschutz, davon sind ca. ein Drittel gefährdet oder dringend sanierungsbedürftig.
Mission Baukultur
Architektur verändert: die Auftraggebenden und die Umgebung. Das heißt Verantwortung. Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen den Vorstellungen unserer Kundschaft und zeitgenössischer Architektursprache.
Wir haben das Durchhaltevermögen und die Leichtigkeit, um unserer Kundschaft den Rücken frei zu halten. Projekte mit Tragweite – für Einzelne und die Gemeinschaft – sind unsere Motivation.
Egal welches Vorhaben wir planen, bei Qualität und Genauigkeit akzeptieren wir keine Schräglage. Ob Machbarkeit, Budget oder Zeitplan – niemand kann bei uns ruhig schlafen, bevor nicht alles im Lot ist.
Dabei sind Erfahrung, gepaart mit Innovation, Herz und Humor unsere Formel für den Erfolg. Für uns und unsere Kundschaft.